Eine Frau schläft in ihrem Bett.

Die Bedeutung unserer Träume

Wovon haben Sie letzte Nacht geträumt? Durften Sie einen alten Bekannten wiedersehen, ihr verstorbenes Grosi umarmen oder gar fliegen? Vielleicht können Sie sich auch gar nicht an Ihren Traum erinnern. Welche Bedeutung unsere Träume haben, zu welchem Zweck wir träumen und wie wir sie im Alltag nutzen können erklärt uns Fachpsychologin Esther Damas.

   Kurz und einfach

Alle Menschen träumen.
Manchmal erinnern wir uns nicht daran.
Man kann Träume auch für den Alltag nutzen.
Mit Übung kann man sich besser an seine Träume erinnern.
Schreiben Sie dazu Ihre Träume auf.

traumbuch Ich gehe über eine Wiese in der Nähe meiner Wohnung. Die Häuser in der Ferne wirken seltsam verändert, bunter, höher. Es ist eine friedliche Abendstimmung. Ich höre rhythmische Trommelgeräusche. Bei der alten Eiche sehe ich eine Menschenmenge in einem grossen Kreis stehen. Jemand tanzt in der Mitte. Da dreht sich eine Frau um, ich kenne sie nicht. Sie lacht mich an und zieht mich in den Kreis hinein. Sie macht mit mir eine Tanzfigur, dreht mich einmal um mich selbst, reicht mich weiter zu ihrem Nachbarn. Es ist ein ehemaliger Mitschüler von mir. Er strahlt mich an und lässt mich ebenfalls einmal kreisen, übergibt mich an die nächste Person. Es ist die nette Frau von der Hemdenreinigung, die ein paar Schritte mit mir tanzt, bevor sie mich ebenfalls weiterreicht. So läuft der herrliche Tanzreigen, bis ich plötzlich an meinen ehemaligen Lehrer gelange, der mich wütend anblitzt. «Sie hat ihre Abschlussprüfung verpasst!», ruft er aus. Jetzt wissen es alle! Erschreckt stelle ich fest, dass die Stimmung sich gegen mich gewendet hat. Bedrohlich schreiten alle auf mich zu, der Kreis wird enger. Da raunt mir jemand zu: «Du kannst fliegen!» Zögernd hebe ich die Arme, mache ein paar Auf- und Abbewegungen. Tatsächlich erhebe ich mich vom Boden und gewinne rasch an Höhe. Schnell werden die Menschen unter mir unwichtig und ich geniesse eine köstliche Freiheit. Auf einmal ertönt ein monotoner Pfeifton, welchen ich zunächst als Höhenmessgerät identifiziere. Ja klar, ich bin wohl zu bodennah geflogen. Doch eine Korrektur der Flughöhe hat keinen Einfluss auf das penetrante Geräusch. Schliesslich löst sich das Bild auf, ich spüre meinen eben noch federleichten Körper schwer auf meiner Matratze liegen.

 

Menschen auf der ganzen Welt und in jeder Kultur träumen. Wir alle sind dazu fähig und tun es auch. Seit einiger Zeit weiss man, dass während der ganzen Schlafzeit, in jeder Schlafphase, geträumt wird. Sie haben bestimmt schon einmal von der REM-Phase gehört, in der sich die Augen der Schlafenden ruckartig hin und her bewegen. In dieser Phase finden die intensivsten und lebendigsten Träume statt. Deshalb können Sie sich an Träume aus dieser Schlafphase am besten erinnern. Können Sie sich nicht erinnern, heisst das jedoch nicht, dass Sie nicht träumen - es hängt von der Erinnerungsfähigkeit ab.

 

Wovon träumen wir?

Zeitgenössische Traumforschende haben tausende von Träumen analysiert und hinterfragt, wovon wir träumen. Das Fazit: Wir träumen von Dingen oder Personen, die wir tagsüber wahrgenommen haben. Darüber hinaus geht es zumeist um Themen, welche uns aktuell beschäftigen sowie Inhalte, die schon länger im Gedächtnis gespeichert sind. Beim Einschlafen lässt die kognitive Kontrolle nach. Das heisst, Unvernünftiges wird nicht mehr zensiert, wodurch sehr kreative Neukombinationen entstehen können. Haben Sie schon einmal geträumt zu fliegen? Und haben Sie es auch wirklich gespürt? Das Gehirn ist fähig, im Traum Erlebnisse herzustellen, welche wir in der Realität nie erfahren können. Darum können Sie den Abenteuerflug im Traum tatsächlich geniessen.

 

«Nachtgedanken»

Sigmund Freud gilt als Begründer der modernen Traumdeutung. Er betrachtete Träume als Botschaften unterdrückter Wünsche und Triebe unseres Unterbewusstseins. Heute gehen die Forschenden davon aus, dass Träume das Produkt einer speziellen Form des Bewusstseinszustandes sind. So werden Träume auch als «Nachtgedanken» bezeichnet. Im Gehirn sind dieselben Areale aktiv, die auch im Wachzustand beim Denken aktiviert sind. Es ist bekannt, dass im Schlaf Reize von aussen wahrgenommen und in die Trauminhalte eingearbeitet werden. Ein klassisches Beispiel ist das reale Geräusch des Weckers, welches zuerst traumlogisch als Warngeräusch des Höhenmessgerätes interpretiert wird. Es wird also blitzschnell in die Traumhandlung eingebaut.
Eine Frau fliegt im Traum über die Wolken.

Übermitteln Träume Botschaften?

Mittlerweile bezweifeln die Forschenden eher, dass Träume einen eigentlichen Zweck haben. Es gibt verschiedene Theorien dazu. Etwa, dass Schlafende in ihren Träumen soziale Interaktionen wie beispielsweise Diskussionen oder Streitgespräche üben können, dass Träume dabei helfen, unnötige Gedächtnisinhalte auszusortieren oder, dass sie die Funktion haben, Gedächtnisinhalte vertieft zu verarbeiten. Beweise dafür zu finden, scheint jedoch schwierig zu sein.

 

Träume für den Alltag nutzen

Selbst wenn es nicht der Zweck von Träumen ist, uns Botschaften zu übermitteln oder uns gefahrlos Gelegenheit zu bieten, uns im Zusammensein mit anderen Menschen auszuprobieren oder unser Gedächtnis zu optimieren, können wir uns unsere Träume doch sehr gut zu Nutze machen.

Sie bieten Gelegenheit zu spüren, woran wir Freude haben. Im Beispieltraum oben ist es das Tanzen, das Zusammensein mit freundlich gesinnten Personen. Vielleicht kann das die träumende Person daran erinnern, sich wieder etwas mehr Leichtigkeit ins Leben zu holen. Sie kann vielleicht besser nachvollziehen, welche Ängste sie plagen und darüber nachdenken, wie sie ihnen begegnen kann. Am Tag nach dem Beispieltraum könnte die Person sich nochmals versichern, ob alle wichtigen Verabredungen und Deadlines in der Agenda eingetragen sind. Wer von Albträumen geplagt wird, kann mit Hilfe einer Fachperson lernen, einen besseren Umgang damit zu finden. Die kreative Art, Inhalte zu vermischen und zu kombinieren, kann uns vielleicht helfen, auf eine unkonventionelle Art ein Problem zu lösen.

 

Lernen, sich zu erinnern

Fällt es Ihnen schwer, sich an Ihre Träume zu erinnern? Da geht es Ihnen wie vielen anderen Menschen. Mithilfe eines Traumtagebuchs können Sie die Traumerinnerungsfähigkeit steigern. Mit etwas Übung können Sie sich mit der Zeit pro Nacht sogar an mehrere Träume erinnern. So lange sich das Gehirn eher leichten, absurden oder lustigen Stoffes bedient, können Träume eine wunderbare Unterhaltung bieten für das knappe Drittel der Lebenszeit, das ein erwachsener Mensch verschläft – ganz kostenlos und ohne Bildschirmzeit.

 

So funktioniert ein Traumtagebuch

Wenn Sie sich besser an Ihre Träume erinnern möchten, können Sie das mithilfe eines Traumtagebuches üben. Im Handel gibt es bereits viele vorgefertigte Traumtagebücher zu kaufen, oder Sie nutzen ein einfaches Notizbuch. Natürlich können Sie Ihre Träume auch digital am Handy oder Tablet festhalten. Ich empfehle Ihnen jedoch, Ihre Träume per Hand zu notieren. Ein eigenes Notizbuch für Ihre Träume unterstützt Ihr Vorhaben und Sie können es als neues Ritual gut in Ihre Routinen einbauen.

Es braucht etwas Disziplin und Geduld, um eine gewisse Routine aufzubauen. Schreiben Sie deshalb jeden Morgen in Ihr Tagebuch und halten Sie auch unvollständige oder sehr kurze Träume fest.

Sie können nach folgenden Punkten einfach Ihr eigenes Projekt starten. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Erforschen Ihrer Träume! 

  • Fassen Sie vor dem Einschlafen den Entschluss, sich an Ihre Träume zu erinnern.
  • Legen Sie etwas zu schreiben neben das Bett, so zum Beispiel Ihr Notizbuch.
  • Lassen Sie nach dem Aufwachen den Traum einen Moment mit geschlossenen Augen revue passieren. Was war zuletzt, was davor, und was noch davor?
  • Notieren Sie den Traum danach sofort in Stichworten (chronologisches Inhaltsverzeichnis).
  • Schreiben Sie Ihren Traum in der Ich-Form und in der Gegenwartsform möglichst ausführlich und detailgenau auf. Am besten nutzen Sie dabei alle Sinne: Wie hat es gerochen? Haben Sie bestimmte Farben gesehen? Wonach hat es geschmeckt? Haben Sie auch etwas gefühlt?
  • Beschreiben Sie Ihren Gefühlszustand, den der Traum ausgelöst hat.
  • Geben Sie dem Traum einen Titel.