Eine Mutter, ein Kind und ein Teddy liegen zusammen im Bett.

Getrennte Wege: Familien in der Scheidung

Trennungen und Scheidungen gehören in unserer Gesellschaft zur Normalität. In der Schweiz werden etwa 40 % der Ehen geschieden, über 12ʼ000 minderjährige Kinder sind jedes Jahr von der Scheidung der Eltern betroffen. Wie können Familien verantwortungsvoll mit einer solchen Situation umgehen?

   Kurz und einfach

In der Schweiz trennen sich viele Elternpaare.
Für die Kinder ist das nicht einfach.
Sie fühlen sich oft nicht mehr geborgen.
Eine gute Beratung kann bei einer Trennung helfen.

Kaum jemand erschrickt oder verurteilt gar, wenn ein Paar sich trennt oder scheidet. Es herrscht breiter Konsens darin, dass die Trennung einer Partnerschaft – wenn keine gemeinsame Zukunft mehr gesehen wird – unmittelbar Erleichterung bringt. Wenn Familien mit Kindern auseinandergehen, ist das allerdings nicht allein eine Angelegenheit der Eltern. Das Erleben und die Interessen der Kinder geraten in einem Trennungsprozess leider häufig in den Hintergrund.

 

Wenn Eltern sich trennen: Trauer, Wut, Verunsicherung

Lassen sich Elternpaare scheiden, so sind sie starken Gefühlen und Verunsicherungen ausgesetzt. Trauer und Wut, vielleicht auch Geldsorgen und Herausforderungen bei der Organisation des neuen Alltags können überwältigend sein. Eine belastende Partnerschaft loslassen zu können, ist jedoch auch für viele Personen eine Erleichterung. Andere freuen sich auf eine neue Beziehung. All diese Gefühle lassen die Eltern den Verlauf des Trennungs- oder Scheidungsprozesses unterschätzen. Vielleicht auch gerade, weil uns Trennungen und Scheidungen so alltäglich begegnen.

 

Wie Kinder eine Trennung wahrnehmen

Viele Eltern nehmen deshalb oft zu wenig wahr, wie ihre Kinder die Trennung erleben. Dabei müssten die Kinder bei einer Scheidung unbedingt in den Vordergrund gestellt werden. Die kindliche Wahrnehmung unterscheidet sich stark von jener der Eltern. Auch im Schulalter kann ein Kind die Trennung der Eltern kaum begreifen. Kinder sind in der Regel gleich mehrfach betroffen: Sie verlieren etwas, was ihnen bisher Geborgenheit und Orientierung gegeben hat. Das gewohnte Umfeld etwa oder vertraute Bezugspersonen. Oft entwickeln Kinder Schuldgefühle, weil sie vermuten, dass die Gereiztheit und die Konflikte der Eltern, oder der Auszug eines Elternteils aus dem gemeinsamen Zuhause, mit ihrem eigenen Verhalten in Verbindung steht. Schliesslich leiden sie unter der mangelnden Verfügbarkeit der Eltern.

 

Grundbedürfnisse der Kinder

Die Ursache für das verminderte Wohlbefinden der Kinder liegt nicht so sehr in der Scheidung der Eltern an sich, sondern in den Auswirkungen auf die Grundbedürfnisse, welche eine Trennung oder Scheidung der Eltern nach sich ziehen können.

Das allerwichtigste Bedürfnis für Kinder ist, sich geborgen und akzeptiert zu fühlen und Zuwendung zu erfahren. Die Wahl des künftigen Wohn- und Betreuungsmodells der Familie ist deshalb gar nicht so entscheidend. Viel wichtiger ist, dass sich die Kinder geborgen fühlen. Kinder wollen wissen, wer für sie da ist, und wer jetzt wofür verantwortlich ist. Die Kinder sollten auch nach einer Scheidung jederzeit Zugang haben zu einer Bezugsperson, welche ihnen vertraut ist, welche verlässlich ist und die mit dem Kind angemessen umgeht. Das müssen gar nicht ausschliesslich die Eltern sein. Dazu können durchaus auch Drittpersonen beitragen. Wichtig ist, dass die Kontinuität in der Betreuung gewährleistet ist.

 

Professionelle Begleitung bei Trennung und Scheidung

Kinder reagieren sehr unterschiedlich auf die Trennung und Scheidung der Eltern. Die Beeinträchtigung ihres Wohlbefindens ist stark abhängig vom Alter und dem individuellen Entwicklungsstand. Unwohlsein kann sich äussern durch Verhaltensauffälligkeiten und gefühlsmässige Verunsicherungen. Ebenso kann sich die Entwicklung eines Kindes, das mit der Scheidung der Eltern nicht zurechtkommt, verzögern und die Schulleistungen können sich verschlechtern.

Ich empfehle deshalb allen Eltern eine professionelle Begleitung im Trennungsprozess. Sie kann die erforderliche Distanz schaffen, den Beteiligten ihr Verhalten aufzeigen und sie dazu anregen, dieses zu reflektieren. Schliesslich sorgt eine Trennungsbegleitung dafür, dass die Bedürfnisse der Kinder nicht vergessen gehen.

 

Die Eltern eines Kindes haben einen Konflikt.

Nach der Trennung oder Scheidung

Die Konflikte der Eltern sind nach dem Vollzug einer Scheidung oft nicht ausgetragen. Enttäuschung, Frustration und negative Gefühle gegenüber der Ex-Partnerin oder dem Ex-Partner bleiben zurück. Die neue Lebenssituation bringt oft zusätzlichen Stress durch soziale, organisatorische, berufliche oder finanzielle Herausforderungen. Die Gefahr besteht, dass die Kinder bewusst oder unbewusst zum Spielball der Eltern werden.

Es lohnt sich deshalb, nach einer Scheidung ein besonderes Augenmerk auf folgende Punkte zu lenken:

  • Wenn sich die Eltern auch nach einer Scheidung regelmässig streiten oder den anderen Elternteil schlecht machen, tut das den Kindern nicht gut. Sie geraten dadurch in Loyalitätskonflikte und leiden unter den negativen Gefühlen zwischen den Eltern. Es ist daher wichtig, dass die Eltern bereit sind, ihre Konflikte zu bereinigen. Je nach Schweregrad empfiehlt sich der Beizug eines Mediators, einer Mediatorin, oder einer Fachperson für Trennungs- oder Familienberatung.
 
  • Wenn die Eltern unterschiedliche Meinungen zur Erziehung ihres Kindes haben, sollten sie dies unter sich klären und nicht vor den Kindern austragen. Auch zu diesem Thema können sie sich an eine Beratungsstelle wenden.
 
  • Eltern sollten sich nicht gegeneinander ausspielen. Wenn beispielsweise ein Elternteil das Kind zu einem umsichtigen und bewussten Umgang mit Geld erziehen möchte und der andere Elternteil dem Kind praktisch unbegrenzt und ohne Absprache Geld und andere materielle Zuwendungen zusteckt, ist Finanzerziehung aussichtslos. Solche Inkonsequenz kann sich als Bumerang erweisen und dazu führen, dass Kinder auf keinen der beiden Elternteile mehr hören.